RADPLAN DELTA
 
LAMINARE UND TURBULENTE STRÖMUNGEN
 
Bewegt man ein scharfes Messer langsam in Schnittrichtung durch Wasser, beobachtet man, dass schon in geringem Querabstand vom Messer und seiner Fahrspur das Wasser von der Messerbewegung unbeeindruckt bleibt. In diesem Falle tritt praktisch nur in unmittelbarer Nähe der Grenzfläche Messer - Wasser eine geordnete, mathematisch einfach zu beschreibende Relativbewegung statt. Der tatsächliche physikalische Ablauf ist mit den Gesetzen für diese laminare Strömung hinreichend beschreibbar. Wir können in diesem Falle dem Messer einen cw - Wert zuordnen / messen, können Rechnungen durchführen und uns freuen, dass die Messergebnisse mit den Berechnungen übereinstimmen. Leider wird es kompliziert, wenn das Messer sich nun erheblich schneller durch das Wasser bewegt. Wir kennen dies aus der Erfahrung, dass Strömungserscheinungen entfernt von der Fahrtspur entstehen, die unregelmässig sind: Verwirbelungen. Die Strömung ist durch Steigerung der Relativgeschwindigkeit und den Gegebenheiten von Objekt und Medium turbulent geworden. Es gelten nun andere Bedingungen, rechnerische Vorausbestimmungen werden schwer bis unmöglich, der cw Wert sagt nicht mehr genug über das Ergebnis aus:
Die Strömung ist gestört. In Physikbüchern und Formelsammlungen werden Gleichungen zum aerodynamischen Luftwiderstand gedruckt.
In ihnen kommt das Quadrat der Geschwindigkeit vor. Beim Übergang von der Widerstandskraft auf die für uns relevantere Leistung in Watt muss nochmals die Geschwindigkeit multiplikativ berücksichtigt werden, also wäre das nun die dritte Geschwindigkeitspotenz. Fachzeitschriften verwenden diese Formeln und argumentieren damit.
Die Frage sei gestellt, ob die Voraussetzungen zur Anwendung dieser Formel gegeben oder geprüft sind.
Meine Aussage: klares nein. Die verwendete Formel geht von zu speziellen Voraussetzungen aus bezüglich Formgebung des Objekts und Regelmässigkeit der Strömung.
Faktisch ist die erforderliche Leistung höher als ein Proportionales der dritten Geschwindigkeitspotenz. Vereinfachungen können falsch werden. Richtiger ist, entweder für bestimmte Formen und bestimmte Geschwindigkeitsbereiche näherungsweise mit Exponenten grösser als 3, die experimentell ermittelt und abgesichert werden müssen, zu arbeiten. Das ist ein relativ einfacher Weg, der aber immer noch fehlerbehaftet ist, nur ist der Fehler bedeutend kleiner. Ein praktischer Beleg für meine These: Ein Radtacho Ciclo CM 414, Vorgänger des CM 434, der aufgrund seiner genauen Höhenmessung Steig- und Sinkleistungen recht genau errechnen kann, der weiterhin mit einer einfachen ( zu einfachen ) Aerodynamikformel auch Windleistung in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit berechnet, nämlich über die dritte Potenz, zeigt bei vollem Leistungseinsatz mit z.B. 52x11 und 60 kmh bergab auf 5% Gefälle eine resultierende Leistung von gerade mal 20 Watt. Das kann er nur, weil er den Aerodynamikanteil / positive Leistung grundsätzlich zu gering berechnet und davon eine richtig berechnete Sinkleistung abzieht. Mit wachsender Geschwindigkeit wird der Fehler, weil kein Näherungsexponent über 3 benutzt wurde, sehr schnell gross.
Ciclo weiss das, aber es ist aufwendig und teuer, den Chip bei einer Neukonstruktion mit besseren Formeln zu spicken.
Ein rechnerisch saubererer Weg ist das Aufspalten des Gesamtausdrucks für die Windleistung in viele Einzelsummanden, in denen zum einen die verschiedenen Objektteile separat bewertet werden wie auch eine getrennte Erfassung von laminaren Anteilen, die noch einfach zu erfassen sind, und den turbulenten Anteilen. Jeder Wirbel, den irgendein Fahrradteil erzeugt, beinhaltet Energie. Es ist beliebig mühsam, die Gesamtheit dieser Wirbel zu erfassen und einzeln aufzusummieren, aber das wäre der korrekte Weg. Es ist allerdings viel einfacher, Menschen eine einzige Formel als Pseudo - Wahrheit zu verkaufen. Ich erlebe es wiederholt, dass Messungen und Rechnungen teilweise deutlich divergieren. Im Zweifelsfall muss der Messung geglaubt werden, dann aber auch die Eignung / Zulässigkeit des Messverfahrens geprüft sein, ob es der Realität weitestgehend entspricht. Die Kritik beziehe ich auf alles, auch auf das eigene Verständnis der Abläufe und Abhängigkeiten, das nie vollkommen sein wird. Wir arbeiten dran.
 

Was bedeutet dies für die Aerodynamik eines Fahrrades oder Autos? Der Konstrukteur hat Chancen mit der Formgebung seines Teiles, solange es an der Fahrzeugfront noch in den ungestörten Luftstrom ragt und laminar umströmt wird. Nun ist leider ein Fahrrad mustergültig zerklüftet im Gegensatz zu einem Auto. Spätestens hinter der Gabel ist die Strömung turbulent. Dies bedeutet, dass die Formgebung einer Hinterradspeiche weniger wichtig wird; ich behaupte nicht, sie sei unwichtig. Wesentlich wichtiger ist aber jetzt, wieviele Störungen noch auftreten. Dies ist z.B. ein Argument für eine Scheibe hinten, sie stellt nur eine grosse Störung dar. Wenn der Konstrukteur nun die Wahl hat, 20 dünne Messerspeichen oder 14 tragfähige Zylinderspeichen zu verwenden, wird mit steigender Geschwindigkeit die Präferenz auf die geringere Störungsanzahl fallen. Wenn dies physikalisch anders wäre, könnte kein einziges Tri-oder Fourspoke Rad funktionieren, da deren Stirnfläche rechnerisch zu hoch ist. Die Physik eines Laufrades ist zwar nicht ganz so einfach, wie es mancher haben will, aber glücklicherweise mit dem angemessenen Know-How regelbar. Wir bei DELTA verfolgen mit Interesse und Freude, wie sich das Angebot an Felgenprofilen und Speichenquerschnitten entwickelt, und es ist uns eine liebe Arbeit, unsere Kunden mit der besten Leistung auszustatten, die für vernünftiges Geld machbar ist.

 

In diesem Sinne und bis zum nächsten Mal

Herzlichst Euer Maro Moskopp

 
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